AKW Grohnde

Zur Geschichte des Atomkraftwerks (AKW) Grohnde liegt eine Chronik von Dieter Kaufmann vor.

Chronik AKW Grohnde

1973 – 1976: Planung und Baubeginn

Der Bau des AKW Grohnde fiel in eine Zeit, in der offizielle Prognosen fälschlicherweise von einer rasanten Steigerung des Energiebedarfs in Deutschland ausgingen. Die sozial-liberal geführte Bundesregierung setzte auf Atomkraft zur Sicherung des prognostizierten Energieverbrauchs und der Unabhängigkeit von Öl aus den arabischen Staaten. Im Februar 1973 veröffentlichte die Bundesregierung den Entwurf ihres vierten Atomprogramms im Rahmen eines öffentlichen Hearings. Er sah einen Ausbau der Atomkraft und die weitere öffentliche Subventionierung von Atomenergieforschung vor.

1973 wurde bekannt, dass eine interministerielle Kommission neun Monate lang 16 Standorte für Atomkraftwerke in Niedersachsen untersucht hatte und für drei (Emden, Cuxhaven und Grohnde) eine Entscheidung gefallen sei. Von den dreien wurde allerdings nur Grohnde verwirklicht. Am 3. Dezember 1973 stellte die Preußische Elektrizitäts-Aktiengesellschaft einen Genehmigungsantrag für einen Druckwasserreaktor in Grohnde.

Beginn des Genehmigungsverfahrens

Einwendungen gegen Bauantrag

Bereits 1973 regte sich Widerstand gegen das Projekt. Zentraler Akteur in den Anfangsjahren war der „Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL)“. Mitbegründer des WSL war der Schriftsteller Günter Schwab, ehemaliges NSDAP- und SA-Mitglied. Erster Präsident der deutschen Sektion wurde der Euthanasie-Arzt Walter Gemlin. Im WSL vereinigten sich völkische Gruppen, Natur- und Lebensschutzverbände und Einzelpersonen. Der WSL bezog sich in seinen Stellungnahmen insbesondere auf die Schädigung des (deutschen) Erbgutes durch die radioaktiven Emissionen im Normalbetrieb und die Gefahr von Störfällen.

1974 reichten über 12.000 Menschen Einwendungen gegen den Bau des AKW Grohnde ein. Die Einwendungen wurden am 3. und 4. Oktober in der Weserberghalle in Hameln erörtert.

Einwendungen und Erörterungstermin

1. Teilgenehmigung und Einflussnahme der PreussenElektra

Zum Bau und Betrieb des AKW Grohnde wurde 1975 die „Gemeinschaftskraftwerk Grohnde GmbH“ gegründet. Sie gehörte zu 50% der Preußischen Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (Preag) und zu 50% der Gemeinschaftskraftwerk Weser GmbH. An Letzterer waren direkt bzw. indirekt die Stadtwerke Bielefeld, das Elektrizitätswerk Minden-Ravensburg sowie die Landkreise Hameln-Pyrmont, Holzminden, Schaumburg und Lippe beteiligt. Damit war das AKW Grohnde neben dem AKW Ohu (Isar) in Bayern das zweite, das in Mitbesitz von Kommunen war.

Die Preag nahm massiv Einfluss auf das Genehmigungsverfahren. In einem Brief an den Niedersächsischen Sozialminister vom 14.2.1975 beklagte sie die ihrer Meinung nach zu schleppende Arbeit der Gutachter der Genehmigungsbehörde und die zu hohen Sicherheitsauflagen und drohte dem Ministerium, dass eine Verzögerung zu einer schwerwiegenden Belastung für die Sicherung der zukünftigen Energieversorgung führen würde. Am 14. April 1976 schrieb die Preag an den Regierungspräsidenten Hannover und verlangte, dass außer den rechtlich vorgeschriebenen Unterlagen keine weiteren Gutachten beim wasserrechtlichen Erörterungsverfahren öffentlich ausgelegt werden sollten, um u.a. „unfruchtbare Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Pseudowissenschaftlern“ zu vermeiden.

Am 8. Juni 1976 erließ das Niedersächsische Sozialministerium die erste Teilgenehmigung zur Errichtung des Kernkraftwerks Grohnde.

1. Teilerrichtungsgenehmigung

1976-1984: Bauphase – Widerstand, Genehmigungsverfahren, Sicherheitsdiskussion

Bauplatzbesetzung

Am Tag der Erteilung der Baugenehmigung, am 8. Juni 1976, wurde ab morgens um 6.00 Uhr mit einem großen Aufgebot der Bauplatz eingezäunt und eine Flutlichtanlage installiert, um jegliche Besetzungen des Bauplatzes wie in Wyhl zu verhindern.

Die Kämpfe um die AKW-Bauplätze in Wyhl und Brokdorf führten 1976/77 zu einer Erstarkung der Anti-AKW-Bewegung. Der Anti-AKW-Protest war zu einem Anliegen diverser K-Gruppen und des links-alternativen Milieus in den Städten geworden. Auch im Umkreis von Grohnde fanden sich Menschen jenseits des rechts verorteten Weltbunds zum Schutze des Lebens zu Bürgerinitiativen zusammen bzw. spalteten sich vom WSL ab.

Die Aktionen wurden vielfältiger. Bei einer Aktion am 19. Februar 1977 gelang es trotz Abriegelungen etwa 2.000 Menschen, den Bauplatz kurzzeitig zu besetzen. Nach zwei Stunden zogen sie friedlich unter Polizeibegleitung wieder ab.

Bauplatzbesetzung

„Schlacht um Grohnde“

Am 19. März 1977 machten sich etwa 20.000 Menschen auf zum Bauplatz. Es entwickelte sich die bis dahin militanteste Großaktion der Anti-AKW-Bewegung. Mit dem Ziel, den mit Zäunen, Stacheldraht und Wasserwerfern gesicherten Bauzaun zu erstürmen, gingen die Demonstrant:innen gegen den Bauplatz vor. Ausgerüstet mit Helmen und Schutz gegen Tränengas durchbrachen sie die Polizeisperren und zerstörten den Bauzaun teilweise mit Schweißbrennern und Bolzenschneidern und rissen ihn mit Tauen ein.

Nachdem die Polizei zuerst von dem massiven Vorgehen der Demonstrierenden überrascht worden war, entwickelte sich eine militante Auseinandersetzung, bei der keine Seite zimperlich war. Am Ende gelang die geplante Bauplatzbesetzung nicht. Dutzende Atomkraftgegner:innen wurden verhaftet. Auf beiden Seiten kam es zu vielen Verletzten. Die Demonstration ging als „Schlacht um Grohnde“ in die Polizei- und Protestgeschichte ein.

Schlacht um Grohnde

Selbstorganisation der Bürgerinitiativen

Vor dem Hintergrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen um Brokdorf und Grohnde wurde von vielen Aktiven in der Anti-AKW-Bewegung zunehmend die Notwendigkeit erkannt, sich neben der Standortauseinandersetzung regional und bundesweit zu vernetzen. Heftige Diskussionen um die „richtige“ Strategie und Taktik sowie die Frage, wie eine Spaltung der Bewegung verhindert werden könne, sollten auf Regional- und Bundeskonferenzen zusammengeführt werden.

Am 23. April 1977 fand die erste Regionalkonferenz in Göttingen statt, zu der Initiativen aus dem Regierungsbezirk Braunschweig, aus der Region um Grohnde sowie aus Hannover, Göttingen und Kassel kamen. Unter Beibehaltung der Unabhängigkeit der unterschiedlichen Bürgerinitiativen gab sich die Regionalkonferenz Verfahrens- und Abstimmungsregeln.

AM 14. / 15. Mai richteten die Bürgerinitiative Umweltschutz Unterlebe, die Bürgerinitiative Hameln und die Bürgerinitiative Hannover die erste Bundeskonferenz der Bürgerinitiativen gegen Atomanlagen aus. Die Konferenz beruhte auf dem Delegiertenprinzip. Jede Bürgerinitiative bekam eine Stimmkarte. Anträge zur Konferenz, inklusive Änderungsanträge zur Tagesordnung wurden vorher schriftlich eingereicht. Die Delegierten bekamen eine 115-seitige Konferenzmappe ausgehändigt. Zur Konferenz kamen etwa 1.000 Menschen aus über 250 Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie dem benachbarten Ausland.

Regional- und Bundeskonferenzen

Anti-Atom-Dorf Grohnde

Pfingsten 1977 fand ein Anti-Atom-Pfingstlager bei Grohnde mit ca. 500 Teilnehmer:innen statt. Im Juni 1977 verhängte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg einen Baustopp in Grohnde. Eigentümer chemischer und pharmazeutischer Fabriken hatten wegen befürchteter Kontamination ihrer Produkte geklagt. Da der Baustopp jedoch erst Wochen später wirksam werden sollte, besetzten am 13. Juni etwa 150 Menschen den Kühlturm-Bauplatz. Sie errichteten ein Hüttendorf mit über zwanzig Hütten, mit Windrad und Sonnenkollektoren und führten – unterstützt von Anwohner:innen und Sympathisant:innen – zahlreiche Aktionen und Informationsveranstaltungen durch. Sogar der Postbote brachte Post in das Dorf. Gleichzeitig war die Protestaktion den Bauarbeitern und anderen Anwohner:innen ein Dorn im Auge. Die Bauarbeiter forderten die Räumung des Dorfes und eine Bürgerwehr, um „die Chaoten in die Weser zu werfen“.

Am 23. August ließ die Landesregierung das Anti-Atom-Dorf mit den zu dem Zeitpunkt anwesenden rund 200 Menschen räumen und zerstören. Einige klagten gegen die Räumung. Sie wäre rechtswidrig gewesen, da weder die öffentliche Sicherheit gefährdet gewesen sei noch die Gemeinschaftskraftwerk Grohnde GmbH in den 72 Tagen des Bestehens des Anti-Atom-Dorfes einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Besetzer:innen gestellt oder die Räumung beantragt hätte.

Anti-Atom-Dorf-Grohnde

Grohnde-Prozesse und Solidaritätsdemonstrationen

Die „Schlacht um Grohnde“ vom März 1977 hatte ein juristisches Nachspiel. Am 10. Oktober 1977 wurden 11 AKW-Gegner:innen wegen schwerem Landfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung angeklagt. 110 weitere Ermittlungsverfahren gegen damals festgenommene Demonstrant:innen wurden eingestellt. In den bis Ende 1978 dauernden Verfahren wurden acht Personen zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt, drei wurden freigesprochen.

Während der Prozessdauer kam es immer wieder zu Solidaritätsaktionen und Solidaritätsdemonstrationen mit tausenden Menschen in vielen Städten. Am 19.11., drei Tage vor Beginn der Prozesse, fand in Hameln ein Aktionstag statt. Etwa 1.200 Menschen zeigten ihre Solidarität mit den Angeklagten. Bei einem Aktionswochenende vom 9. bis 11. Juni 1978 kamen etwa 5.000 Menschen zur Solidaritätsdemonstration nach Hannover.

Grohnde-Prozesse

Anti-AKW-Protest in den Parlamenten

Zur Kommunalwahl in Niedersachsen am 23. Oktober 1977 gab es erste Wählergemeinschaften und Wahlbündnisse aus diversen Strömungen der Umwelt- und Anti-AKW-Bewegung. Im Landkreis Hameln-Pyrmont kandidierte die von den Bürgerinitiativen gegen Atomkraft Weserbergland gegründete „Wählergemeinschaft – Atomkraft Nein Danke“. Mit 2,3% erreichte sie einen Sitz im Kreistag.

1980 wurde die Partei „Die Grünen“ gegründet. Während die Grünen in den Anfangsjahren in vielen anderen Bundesländern noch an der 5%-Hürde scheiterten, zogen sie – befördert durch die Auseinandersetzungen um die Atomprojekte in Norddeutschland – bei der niedersächsischen Landtagswahl 1982 mit 6,5% der Stimmen in den Landtag ein.

Protest in den Parlamenten

Weiterbau und Sicherheitsdiskussion

Ende Februar 1979 hob das OVG Lüneburg den Baustopp für das AKW Grohnde auf. Es war zu dem Schluss gekommen, dass mögliche Kontaminationen durch das AKW „weit unter der Gefahrengrenze bleiben“ würden.

Noch während des Baus stellten die kritischen Wissenschaftler:innen der „Gruppe Ökologie Hannover“ fest, dass der Reaktordruckbehälter (RDB) nicht den damaligen Sicherheitskriterien entsprach. Die Wanddicke reichte nicht aus, und der verwendete Stahl hätte für ein Atomkraftwerk gar nicht benutzt werden dürfen. Selbst die Reaktorsicherheitskommission hatte erhebliche Bedenken, aber da der RDB bereits fertiggestellt war, wurde er trotzdem eingebaut.

1979 stellte der Betreiber einen Antrag auf den Einbau sogenannter Kompaktlagergestelle im vorgesehenen Nasslager für bestrahlte Brennelemente. Damit wurde die Anzahl der einzulagernden Brennelemente verdreifacht. Einwendungen dagegen blieben erfolglos.

Im Juni 1980 wurde von der „Wählergemeinschaft – Atomkraft Nein Danke“ ein Gutachten aufgedeckt, dass die Stadt Hameln beim Heidelberger Institut für Energieforschung über mögliche Unfallfolgen in Auftrag gegeben, aber geheim gehalten hatte. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass mit tödlichen Strahlenbelastungen für die Einwohner:innen der Stadt Hameln gerechnet werden müsste. Eine erfolgreiche Evakuierung von mehr als 60.000 Menschen innerhalb von 70 Minuten wäre unrealistisch.

Bereits drei Jahre zuvor hatten die Wissenschaftler:innen unter dem Namen „Tutorium Umweltschutz an der Universität Heidelberg“ ein Gutachten über die „zu erwartende Strahlenbelastung im Normalbetrieb durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel in der Umgebung des Kernkraftwerks Grohnde“ erstellt.

Genehmigungsverfahren und Sicherheitsdiskussionen

1984 – 2011: Inbetriebnahme, Störfälle, Proteste

Inbetriebnahme

Die Proteste gegen die Inbetriebnahme des AKW Grohnde gingen weiter, jedoch ohne Erfolg. Am 5. September 1984 wurde das AKW zum ersten Mal mit dem Netz synchronisiert, am 1. Februar 1985 nahm es seinen kommerziellen Leistungsbetrieb auf. Bei seiner offiziellen feierlichen Einweihung am 23. Mai 1985 stand das AKW allerdings schon wieder still, da es infolge eines Blitzschlages einen Kurzschluss gegeben hatte.

Die Inbetriebnahme des AKW fiel in eine Zeit, in der längst deutlich geworden war, dass die Strombedarfsprognosen aus den 1970er Jahre völlig überzogen gewesen und inzwischen Überkapazitäten installiert worden waren. So kam kurzzeitig das Gerücht auf, dass sich die Preag aus wirtschaftlichen Gründen von Anteilen am AKW Grohnde trennen wollte, was aber nicht bestätigt wurde.

Inbetriebnahme

Verein für angewandten Umweltschutz (VAU)

Im Sommer 1984 gründeten Bürger:innen den „Verein für angewandten Umweltschutz (VAU)“ in Hameln. Zweck des Vereins war es, vom Betreiber und den Behörden unabhängige Messstellen aufzubauen, um die radioaktiven Emissionen aus dem AKW Grohnde unabhängig überwachen zu können. Innerhalb des ersten Jahres wurden bereits 30.000 DM gesammelt und davon vier Messstellen finanziert. Über seine Arbeit informierte der VAU in seinen Rundbriefen. 1986 konnte der VAU sowohl den signifikanten Anstieg der Gamma-Strahlung an der Messstelle in Kirchohsen direkt nach der Katastrophe von Tschernobyl als auch den Rückgang auf ein konstant höheres Niveau als vor Tschernobyl feststellen. Ende der 1990er Jahre stellten die Mitglieder des VAU nach und nach ihre Arbeit ein.

Informationsdienst VAU

Änderungsgenehmigungen

Am 13. August 1986 erhielt das AKW Grohnde die Genehmigung, MOX-Brennelemente einzusetzen. 1990 wurden sowohl eine Leistungserhöhung als auch die Errichtung eines Anbaus für die Behandlung radioaktiver Abfälle genehmigt. 2002 wurde der Bau eines Zwischenlagers am Standort Grohnde für die bestrahlten Brennelemente aus dem AKW genehmigt.

Änderungsgenehmigungen

Kühlturmbesetzung Robin Wood und andere Proteste

Am 12. Juni 1990 besetzten Aktivist:innen der Umweltschutzorganisation Robin Wood den Kühlturm des AKW Grohnde und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift „Prima Klima ohne Atom“.

Fünf Tage später gab es eine Straßenblockade vor dem AKW.

Immer wieder gab es außerdem Proteste gegen die Castor-Transporte der bestrahlten Brennelemente in die Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague (F) und Sellafield (GB).

Kühlturmbesetzung

2011 – 2021: Regionalkonferenz Grohnde abschalten und Stilllegung des AKW

Ende der 2000er Jahre flammte die Anti-AKW-Bewegung wieder auf, eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke wurde diskutiert und es war klar, dass die Laufzeitverlängerung kommen würde, wenn im Bund eine CDU-FDP-Regierung gewählt werden würde. Mit großen Aktionen unter Beteiligung bis zu 120.000 Menschen wurde an vielen Orten und in Berlin gegen die Pläne protestiert. Es half nichts, die CDU-FDP-Regierung kam – und mit ihr die Laufzeitverlängerung. Doch die Atomgesetznovelle war noch nicht einmal ein halbes Jahr alt, als in Japan das AKW Fukushima Daiichi zerstört wurde. Quasi über Nacht und ohne große Mobilisierung kamen Hunderttausende von Menschen in zentralen Städten zusammen, um für die Stilllegung der Atomkraftwerke in Deutschland zu protestieren.

Auch in Grohnde und den Kreisen darum verstärkte sich bereits ab 2009 der Widerstand. Ganz unmittelbar stand plötzlich wieder die Frage im Raum, was eine Katastrophe im AKW Grohnde für Mittel- und Süd-Ost-Niedersachsen bedeuten würde.

Alte und neue Initiativen von Bielefeld bis Braunschweig und von Nienburg bis Göttingen trafen sich zur neu gegründeten „Regionalkonferenz Grohnde abschalten“.

Mit vielen phantasievollen Aktionen wiesen sie in den folgenden Jahren auf die Gefahren hin, die von dem Atomkraftwerk ausgingen und auf die Probleme der Alterung von AKW und forderten eine vorzeitige Stilllegung des AKW Grohnde. Am 10.4. fand eine Ankett-Aktion statt, am Tschernobyl-Jahrestag ein Aktionstag und im Oktober 2011 unter dem Motto „AKW Grohnde aus-sitzen!“ eine zweitägige Mahnwache. Anlässlich der MOX-Transporte nach Grohnde gab es Sitzblockaden, Demonstrationen und ein Protestpaddeln auf der Weser.

Regionalkonferenz und Protestaktionen

Aktions- und Menschenkette im 40-km-Umkreis

Zum zweiten Fukushima-Jahrestag 2013 führte die „Regionalkonferenz Grohnde abschalten“ eine Aktions- und Menschenkette im Umkreis von 40 km rund um das Atomkraftwerk durch. Damit sollten die Menschen in vielen Orten damit konfrontiert werden, dass sie im Falle einer Reaktorkatastrophe – je nach Windrichtung – innerhalb der Zone leben würden, für die Katastrophenschutzmaßnahmen bis hin zu Evakuierungen notwendig werden würden. Etwa 20.000 Menschen beteiligten sich bei eisigem Wetter an der Großaktion.

Ein halbes Jahr später, im September 2012, lud die Regionalkonferenz zu einer Sternfahrt zum AKW Grohnde ein.

Aktions- und Menschenkette

Klage auf Stilllegung

Nicht nur politisch, auch juristisch wollte die „Regionalkonferenz Grohnde abschalten“ eine sofortige Stilllegung des AKW Grohnde erzwingen. Dazu wurde der „Rechtshilfefonds Atomerbe Grohnde e.V.“ gegründet. Anwohner:innen aus Grohnde und Bodenwerder beantragten am 26. März 2015 beim Niedersächsischen Umweltministerium (NMU), dem umstrittenen Atomkraftwerk Grohnde die Betriebsgenehmigung zu entziehen. Nach Ablehnung des Antrages durch das NMU erhoben sie Klage vor dem OVG Lüneburg. Insbesondere der mangelnde Schutz vor terroristischen Angriffen und die seit vielen Jahren bekannten und neuen Störanfälligkeiten waren Kern der Klage. Die Klage wurde nie in der Hauptsache verhandelt.

Klage

Schlechtes Zeugnis für die Landesregierung

Im Januar 2014 – ein Jahr, nachdem sich die neue rot-grüne Landesregierung konstituiert hatte – zog die „Regionalkonferenz Grohnde abschalten“ mit einem selbstgebauten, skelettierten Niedersachsenross, einem löchrigen AKW und vielen gelben Fässern vor das Umweltministerium in Hannover. Sie bilanzierten die rot/grüne Atompolitik im abgelaufenen Jahr und stellten ihr ein schlechtes Zeugnis aus.

Zeugnisausgabe

Widerstandswurm

Anlässlich der angekündigten Revision im AKW Grohnde vom 6. bis 20. Oktober 2015 zogen etwa 60 Menschen eingehüllt in einen 60 Meter langen Widerstandswurm vom Kraftwerk über Emmerthal nach Hameln. Auf ihrem Protestmarsch unter dem Motto „Die machen den Reaktor auf…! Bloß hier weg!“ machten Atomkraftgegner:innen auf die Gesundheitsgefahren durch den erhöhten Austritt von Radioaktivität während einer Revision aufmerksam.

Widerstandswurm

Sicherheitsrisiken

Auch das letzte Jahrzehnt des Betriebs war gekennzeichnet von Sicherheitsrisiken und diversen Störfällen. Die im Nachgang zu den Unfällen in Fukushima durchgeführten Sicherheitsüberprüfungen der Reaktorsicherheitskommission (RSK) und der europäische Stresstest zeigten, dass das AKW Grohnde nicht ausreichend gegen Erdbeben und Hochwasser geschützt war. Zusätzlich wurde deutlich, dass die Durchführbarkeit und die Funktionsfähigkeit der Notfallschutzmaßnahmen nicht gewährleistet waren. Hohe radioaktive Freisetzungen wären daher möglich gewesen.

Durch den Alterungsprozess kam es in Grohnde immer häufiger zu Störungen und Defekten in der Anlage, die oft nicht sofort, sondern erst im Rahmen von Revisionsarbeiten entdeckt wurden. 2014 war es ein Defekt an einem Generator sowie Schäden an den Niederhaltefedern der Drosselkörper, 2016 Undichtigkeiten an Verschraubungen im Volumenregelsystem und eine von vier Nachkühlpumpen, die sich nicht einschalten ließ.

Störfälle und Sicherheitsrisiken

Stilllegung

Am 24.10.2017 stellte der Betreiber, inzwischen als die PreussenElektra firmierend, einen Antrag auf Stilllegung und vollständigen Rückbau des AKW Grohnde, ergänzt einen Monat später um den Antrag auf die Errichtung eines Zwischenlagers (Transportbereitstellungshalle TBH-KWG) für die Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle am Standort. Vom 6. Mai bis 5. Juli 2021 wurden die Antragsunterlagen öffentlich ausgelegt. Aufgrund massiver Einschränkungen durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hat das niedersächsische Umweltministerium den Erörterungstermin im Herbst 2021 als reine Online-Veranstaltung durchgeführt.

Abgeschaltet wurde das AKW am 31.12.2021, da die atomrechtliche Genehmigung zur Erzeugung von Strom damit beendet war. Eigentlich war die per Atomgesetz zugeschriebene Reststrommenge schon vorher aufgebraucht. Durch die Übertragung der nicht genutzten Reststrommengen des AKW Krümmel auf das AKW Grohnde konnte es jedoch noch bis zum 31.12.2021 weiterbetrieben werden.

Stilllegung